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Gruppengespräche
Worum es geht
Jede Lehrperson, jeder Gruppenleiter wünscht sich in seiner Klasse/Gruppe eineAtmosphäre der Zusammenarbeit, des Respekts und der gegenseitigen Unterstützung.
Das kommt nicht von selbst, sondern ist die Folge von bewusster Sprache,
gewählten Strukturen und gezieltem Vorgehen:
Wenn das, was im Schulzimmer/auf der Gruppe passiert, nur in der Verantwortung
der Pädagogin ist, entsteht kein Klima der Zusammenarbeit. Kinder wollen bei der
Gestaltung miteinbezogen sein und mitbestimmen können. Dieses Miteinander
muss strukturiert, reflektiert und schrittweise gelernt werden. Man kann nicht davon
ausgehen, dass Kinder das können, aber davon, dass Kinder das wollen.
Vorbereitung:
Rahmen:
Die Bestimmung des Rahmens, in dem der Schul- bzw. Heimbetrieb stattfindet, ist in erster Line Sache der Pädagogen. Der Schüler findet Regeln und Rahmenbedingungen vor, wenn er eintritt. Es ist von grossem Nutzen, wenn es den Pädagogen gelingt, Klarheit zu verschaffen über das, was drin liegt und was nicht.50% Regel:
Die Konversation zwischen Pädagogen und Kindern besteht zum grossen Teil ausBeurteilung von Leistung und Verhalten (Lob und Tadel) und aus Anweisungen. Lehrerinnen, denen eine gute Atmosphäre im Schulzimmer wichtig ist, achten darauf, dass mindestens 50% ihrer Bemerkungen Gelungenes zum Inhalt hat, und sie mit den Schülern über das reden, was sie wollen und nicht über das, was sie nicht wollen. Dieser Unterschied ist so banal, dass seine grosse Auswirkung auf die Atmosphäre im Schulzimmer bzw. auf der Gruppe oft übersehen wird.
Reflexionsebene:
Im pädagogischen Alltag geschieht Lehren und Lernen. Dies sind die Haupttätigkeitenvon Sozialpädagoginnen und Klienten. Damit bei diesem Tun eine gute Atmosphäre
herrscht, müssen wir einen Raum bzw. ein Zeitgefäss schaffen in dem über
das, was im Alltag passiert, nachgedacht wird. Wir unterscheiden die Alltagsebene
des Tuns und die Reflexionsebene des Nachdenkens über das Tun. Wie diese Ebenen
gestaltet werden gehört zu den Rahmenbedingungen. Eine verbreitete Form
der Reflexionsebene ist die Gruppenstunde bzw. Klassengespräch.
Gruppen- bzw. Klassengespräch:
Der Zeitfaktor:
Wir denken, dass den Schülern und den Kindern auf der Gruppe im Laufe einer Woche,einmal Gelegenheit gegeben werden sollte, zusammen mit den andern Kindern
und den Pädagogen über ihr Leben und Lernen nachzudenken. Es ist keine Zeitverschwendung,
Kinder zur Reflexion über ihr Lernen anzuregen. Die Atmosphäre verbessert
sich nachhaltig, wenn sich unser Focus vor allem auf Gelungenes richtet.r
Form der Gruppen- bzw. Klassengespräche:
Wir können nicht davon ausgehen, dass es beim ersten Mal gelingt, eine disziplinierteDiskussionsrunde zu erleben, wo jeder zu Wort kommt und seine Sicht darlegen
kann. Dies ist ein langfristiges Ziel und ein Entwicklungsweg, den wir mit den
Kindern gehen wollen. Für Kinder ist es vorteilhaft, wenn sie lernen, einander zuzuhören
und sich ernst zu nehmen. Dazu gibt es hilfreiche Erfahrungen, die bereits
in Klassenzimmern gemacht wurden.

Reflexion über Gelungenes:
Normalerweise bedeutet Reflexion: Unseren Focus auf das richten, was nicht gelungenist und verbessert werden muss. Diese Strategie ist aus dem Denken heraus
entstanden, dass der Mensch erkennen muss, was er falsch macht, um den Willen
aufzubringen, sich zu verbessern. Der Hirnforscher G. Roth, der sich mit dem Phänomen
Lehren und Lernen befasst, kommt zu andern Schlussfolgerungen. Die Motivation,
sich zu verbessern kommt aus dem Vertrauen aufs Gelingen aus dem Erkennen
des Schülers, dass es sich für ihn auf irgendeine Art und Weise lohnt zu lernen
und aus der Erfahrung, dass er sein Lernen durch Wählen beeinflussen kann. Vom
Standpunkt der Lernmotivation aus gesehen ist es besser mit den Schülern darüber
zu reden, was sie gelernt haben, als über das, was sie noch alles lernen müssen.
Diese Reflexionsrunden in der Klasse bzw. Gruppe können ganz unterschiedliche
Formen annehmen.
Hier ein Beispiel: Abwechslungsweise wird ein Kind aufgefordert darüber zu erzählen,
was es erreichen will, was es gut macht, was so bleiben soll und was es in Zukunft
verändern möchte. Der Pädagoge stellt Fragen zum wie und interessiert sich
für die Sicht des Kindes. Er befragt auch die andern Kinder der Gruppe, was sie
Gelungenes beobachtet hätten. Eine solche Reflexion unterstützt die Strategie der
Pädagogin, die darauf abzielt, dass die Kinder sich gegenseitig in dem unterstützen,
was sie erreichen wollen. Im Laufe eines Quartals kommt jedes Kind einmal
dran und erlebt, wie es ist, ernst genommen zu werden.
Eine andere Idee ist eine Einstiegsrunde mit der Reflexion über: "Was ist mir diese
Woche besonders gut gelungen und was haben andere davon bemerkt"?
Weitere Vorgehensweisen überlassen wir ihrer eigenen Phantasie.
Bearbeitung von Anliegen:
Das Anliegen muss auf den Tisch:
Die Pädagogin fördert die Bereitschaft der Kinder, ihre Anliegen zu formulieren und
zur Diskussion zu stellen. Wenn eine Jugendliche erlebt, wie ihr Anliegen wichtig
genommen wird und mit Hilfe der Gruppenstunde zu einer Lösung geführt wird,
erfährt sie Anerkennung und Selbstwirksamkeit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten,
wie die Anliegen auf den Tisch kommen, durch Los oder irgendwelche andere
Auswahlkriterien. Es ist hilfreich von Anliegen zu sprechen und nicht von Problemen.
"Es stehen viele Anliegen zur Diskussion bereit" reflektiert hilfreicheres Denken
als "wir haben viele Probleme zu bearbeiten."
Das Anliegen wird formuliert mit Blick auf die Lösung: Anne stört sich daran, dass
Marco und Stefan, die vor ihr sitzen dauernd schwatzen und aufstehen. Die Lehrperson
fragt, Anne, wie die Situation sein müsste, damit sie zufrieden wäre. "Was
würden Marco und Stefan anders machen, wenn das Problem gelöst wäre, was würdest
du dann anders machen?"
Blick auf die Ausnahmen:

"Auf einer Skala von 1-10 wenn 10 bedeutet, Marco und Stefan verhalten sich immer
so wie du es wünschest und 1 das Gegenteil, wo wärest du auf der Skala?"
Wenn die Anne antwortet 3, dann fragen wir sie nach den Situationen, wo das
Problem weniger bzw. gar nicht sichtbar ist.
Fragen an die Klasse: Habt ihr Situationen beobachtet, wo sich Marco und Stefan so
benommen haben, wie Anne es wünscht? Was war da anders?
Frage an die Betroffenen: Marco, Stefan, habt ihr auch Unterschiede festgestellt,
dass es euch manchmal besser gelingt und manchmal weniger. Wo auf der Skala
seid ihr heute nach eurer Beurteilung? Marco und Stefan antworten: "Wir wären
sicher auf 5." Wenn wir jetzt eine kleine Verbesserung anstreben, was denkt ihr,
was euch ohne viel Anstrengung möglich wäre? Die beiden machen einen Vorschlag.
Dieser Vorschlag wird von der Lehrperson gewürdigt. Es ist hilfreich, Marco und Stefan
keine Schuld zuzuweisen, sondern davon auszugehen, dass sie nicht absichtlich
schaden wollen.
Gemeinsame Lösung ausarbeiten:

Wir wenden uns an Anne und fragen sie, was sie zu den Vorschlägen denkt. Wir fragen
auch die andern Schülerinnen und Schüler nach ihrer Meinung. Dann gibt es
eine Vereinbarung darüber, was anders sein soll und wie diese Ziele erreicht werden
können.
Fortschritte dokumentieren:

Bei grösseren Problemen lohnt es sich die Gruppe bei der Beobachtung der Fortschritte
zu involvieren. Man kann das Ziel im Gruppenhaus an die Wand schreiben
oder zeichnen und die Kinder auffordern, immer dann etwas dazu zu schreiben,
wenn sie eine kleine Verbesserung gesehen haben. Beobachtungen über Misserfolge
werden nicht angeschrieben. Auch in diesem Bereich gibt es viele kreative Möglichkeiten,
um das Gelingen sichtbar zu machen.
Abschluss mit Würdigung und Dank für die Kooperation:

Die Lehrperson dankt Anne, dass sie ihr Anliegen eingebracht hat, der Klasse, dass
sie sich darauf eingelassen hat und Marco und Stefan dafür, dass sie bereit waren,
gewisse Verbesserungen anzustreben.
Lösungsorientierte Mehr-Personen-Gespräche. Klassen- und Gruppengespräche. Vom ZLB Winterthur.

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